50% der Menschen mit Zwangserkrankungen bzw. Zwangsstörungen werden fälschlicherweise als psychotisch diagnostiziert.
Im Unterschied zum Angstpatienten „gelingt“ dem Zwangsklienten scheinbar eine Lösung seines Problems durch Rituale. Er ist dabei so „erfolgreich“, dass er sie nicht mehr stoppen kann. Die „Lösung“ wird hier zum Problem, das sich immer weiter manifestieren kann, wenn die Wiederholungen mit der Zeit zunehmen.
Es gibt eine Vielzahl von Zwangserkrankungen bzw. Zwangsstörungen, die man je nach Ausprägung und Intensität unterschiedlich therapiert. Eine grobe Einteilung ist die in furchtabwehrende und in angenehme Rituale. Diese können jeweils vorausschauend (verhindernd) oder reparierend (wiedergutmachend) sein.
Furchtabwehr-vorausschauende Rituale
Diese Vermeidungsrituale können sich im Verhalten (z.B. Waschzwang) sowie auf geistiger (z.B. Zwangsgedanken) oder verbaler Ebene (z.B. Zwang, bestimmte Dinge zu sagen) zeigen. Dadurch versucht der Klient, Furcht abzuwenden oder Erhofftes zu erreichen.
Furchtabwehr-reparierende Rituale
Hier ist das Befürchtete bereits passiert und der Klient versucht, es hinterher wieder gut zu machen. Dies betrifft beispielsweise Menschen, die eine pathologische Angst vor einer tödlichen Erkrankung durch den Kontakt mit Schmutz entwickelt haben. Kommt er trotz aller Vorsicht mit Schmutz in Berührung, versucht er hinterher mit exzessivem Reinigungsverhalten, das Geschehene zu „reparieren“.
Als angenehm-empfundene Rituale
Unter diesen Ritualen versteht man Zwänge, die ausgeübt werden, um angenehme Gefühle zu empfinden. Beispiele sind übermäßige Internetnutzung und exzessives Kauf- oder Spielverhalten.
Bei Ritualen zur Furchtabwehr nutzt man die Rituale selbst, um sie zum Verschwinden zu bringen, indem sie „verschrieben“ werden: Der Klient bekommt z.B. die Aufgabe, ein Ritual 5mal oder 10mal durchzuführen, wenn er es 1mal tut. Er kann es aber auch ganz weglassen. Früher oder später lässt der Klient das Ritual einmal weg, weil die Verschreibung zu belastend ist. Dies erzeugt ein neues Wahrnehmungssystem, weil er bemerkt, dass nichts passiert (emotional korrigierende Erfahrung).
Demgegenüber zielt man z.B. beim Zwang, die Wohnung steril sauber zu halten, um sich und seine Familie zu schützen, gleich auf eine Umfokussierung der Wahrnehmung: „Taucht das Problem auf, wenn Sie alles geputzt haben oder wenn Sie nicht alles geputzt haben?“ Diese auf eigentlich leicht zu beantwortende Frage lenkt das Denkmuster dahingehend hin, dass sich die Angst in Wirklichkeit dann einstellt, nachdem alles geputzt ist. Weil jetzt alles beschützt werden muss: „Also sollten Sie sich davor schützen, dass alles geschützt ist.“